Warum wir uns mit Handicap-Umbauten beschäftigen müssen:
Im Jahr 2002 erkrankte Sebastian im Alter von 14 Jahren an einem Ewing Sarkom (Knochenkrebs im linken Unterschenkel).
Nach sechs extrem aggressiven Chemotherapien (VIDE) und einer normalstarken (VAI), wurde ihm im Dezember 2002 das
linke Bein bis Mitte Oberschenkel abgenommen. Im Januar 2003 wurde Sebastian mit einer Prothese (Otto Bock 3R80) versorgt
und wollte natürlich sofort ausprobieren, was damit noch möglich ist. Als erstes das Fahrrad. Ich habe an die linke Pedale einen
Einschlupf montiert, sodass der Prothesenfuß nicht einfach von der Pedale rutschen konnte, ihn aber auch nicht so stark fixierte,
dass er sich bei einem Sturz wieder lösen konnte.
Als nächstes wurde das Kickboard (diese Aluroller, die gerade so modern waren) ausprobiert. Das funktionierte problemlos.
Sebastian spielte vor seiner Erkrankung in einem Streethockey Mannschaft. Also musste auch das Fahren auf Inlineskates ausprobiert werden.
Mit diesem Hydraulikknie ging das aber mehr schlecht als recht.
Dieses Hobby musste er dann leider aufgeben.
Sebastian war nun 15 Jahre jung und wollte nach weiteren acht Chemotherapien gerne den Führerschein A1 für 125er machen.
So etwas dürfte er dann auf 80 Km/h gedrosselt schon mit 16 Jahren fahren. Das Einfachste wäre gewesen, einen 125er Roller zu kaufen.
Die haben ja meistens eine Variomatic oder zumindest eine Handschaltung. Sebastian wollte aber lieber ein RICHTIGES Motorrad fahren.
Also habe ich mich über Umbauten informiert und wollte zuerst selber auf Rechtsschaltung oder Schaltzylinder mit Tasterbetätigung umbauen.
Je mehr ich über diese Thema las, desto mehr glaubte ich, das selbst nicht zu schaffen. Also haben wir eine Honda Shadow VT 125 c erstanden
und sie bei Ziegenfuß in Winsen-Aller auf Rechtsschaltung umbauen lassen. Auf dieser sollte Sebastian dann seinen Führerschein machen.
Abenteuer Führerschein:
Hier im Ort gibt es eine Fahrschule, dessen Besitzer (Ingo Hofmann) sich auf dieses Abenteuer einließ. Sebastian stellte sich sehr geschickt an,
und auch ich fuhr die Shadow von Zeit zu Zeit. Dann der Tag der Prüfung. Weil Sebastian noch nicht selbst fahren durfte, brachte ich das Moped zur Fahrschule und ging nach Hause. Sebastian wollte daß ohne mich machen. Der Prüfer hat sich Sebastian bis zuletzt aufgehoben und es war schon Nachmittag, als Sebastian mich anrief, ich solle mal zur Fahrschule kommen. Dort traf ich auf einen unverständigen „Sachverständigen“,
einen ratlosen Fahrlehrer und einen verzweifelten und total unglücklichen Sebastian. Der sogenannte “Sachverständige” hatte Zweifel an der
Funktionsfähigkeit (obwohl eingetragen) des Schaltungsumbaus. Nachdem ich ihn darauf hingewiesen habe, dass ein zugelassener Sachverständiger
vom TÜV-Hannover diesen Umbau überprüft und für eintragungsfähig erklärt hat, kam sogleich der nächste Einwand. Sebastian könne nach einem
Sturz oder Umfaller das Motorrad selbst nicht mehr aufrichten. Nach einiger Diskussion über junge Mädels oder auch Jungs, die manchmal nur mit
den Zehenspitzen auf ihren 1000er Maschinen an den Ampeln stehen, gab es bei dem Prüfer immer noch keine Einsicht. Als er dann noch sagte,
“man weiß ja auch gar nicht, ob der Krebs nicht irgendwann wiederkommt und Sebastian dann mit dem Motorrad gegen einen Baum fährt” habe
ich das Gespräch beendet und seinen Vorgesetzten angerufen. Als ich diesem den Sachverhalt und die Bedenken des Prüfers genannt hatte und ich
hinzufügte, dass ich glaube, dieser Prüfer will die Behinderten am liebsten vom Straßenverkehr fernhalten, sagte dieser, der Prüfer sei vielleicht
etwas überfordert, denn er habe einen solchen Fall noch nicht gehabt und wir setzten einen neuen Termin mit einem in dieser Thematik erfahreneren
Prüfer fort, er müsse aber auf ein Ärztliches Attest, dass Sebastian eine stabile Psyche bescheinige, bestehen.
Die nächste Prüfung lief dann wie erwartet. Sebastian hat den Führerschein beim ersten Anlauf bestanden. In den Führerschein wurde eingetragen,
dass Sebastian ein Beiblatt mitführen muss, in dem wiederum die Beschränkungen vermerkt sind.
1. Sebastian darf nur Fahrzeuge mit angepasster Schaltung fahren.
2. Sebastian darf nur mit Prothese fahren.
3. Sebastian darf nur alleine fahren (Solobetrieb).
Um den Solobetrieb austragen zu lassen, machten wir nach Ablauf eines Jahres noch eine Prüfungsfahrt, bei der ich als Sozius mitfuhr.
Den Autoführerschen hat er einfach auf Automatik gemacht.
Im Dezember 2013 kaufte ich mir eine Kawasaki VN 1500 Classik.
Diese wollte Sebastian natürlich auch fahren, also mussten wir auch dieses Moped an seine Behinderung anpassen. Dieses mal wollte ich aber
selbst umbauen. Ich recherchierte im Internet und habe mich dann für einen Schaltzylinder, der mit Tastern, die am Lenker angebracht werden entschieden. Dieser ist von Translogic und ist eigentlich für den Cart Sport entwickelt.
Der Umbau klappte problemlos. Dann hat Sebastian sich für den Führerschein angemeldet und dann auch auf diesem Bike seine Prüfung gemacht.
Dann hat Sebastian eine Suzuki LS 650 geschenkt bekommen, an die wir den Schaltzylinder montiert haben.
Ich bin Teil der VN-Biker, einer Interessengemeinschaft um die Kawasaki VNs und bin mit Sebastian zu einem Jahrestreffen in Behrensdorf gefahren wo Sebastian von der Gemeinschaft und den VNs angefixt wurde, dass er sogleich nach einer gebrauchten 1500er VN Mean Streak suchte und auch fündig wurde.
Heute fährt er seine umgebaute „Yasmean„